Frau mit Kamera

MEIN ERSTES MAL auf der BEFA

Unsere neue Mitarbeiterin Mayka gibt euch einen exklusiven Bericht über ihren ersten Besuch auf einer Bestattungsfachmesse.

Es ist Freitag, der 07.10.16 und es nieselt, als wir in Berlin am Estrel Hotel ankommen. „Pacemo GmbH. Wir wollen zur BEFA. Aufbauen.“ Der Einweiser runzelt die Stirn und antwortet mit tiefstem Berliner Dialekt „Wat it’n ditte?“ Die Antwort kommt wie aus einem Munde: „Bestatterfachmesse!“. Der Aha-Gesichtausdruck schiebt sich auf sein nettes Gesicht. Er bittet uns noch etwas abseits zu warten, weil hinten noch ein LKW ausgeladen werden muss. Das Kopfkino beginnt. Eine LKW Ladung Särge? Leichenwägen? Wie viel Urnen passen in einen LKW?

Neben uns warten ein paar Mittfünfziger mit langen Haaren und abgerockten Jeansjacken. Bestatter? So hab ich mir die nicht vorgestellt. Aber gut, die werden ja auch nicht alle gleich aussehen.

Nachdem sich hinter uns langsam ein Autokorso sammelt, bittet ein anderer Einweiser uns, unsere Instrumente rechts oben vor dem Hoteleingang auszuladen. Instrumente? Oh jemine, das Kopfkino rattert weiter. Der eine Langhaarige mit der Jeansjacke kapiert sofort und steigt in seinen Renault Kangoo. Nun sehe ich auch das Schild am Tor: „The Holy Grail“. Ein passender Name für eine Bestattermesse aber ich meine mich zur erinnern, dass die offizielle Bezeichnung „Forum BEFA“ lautet. Als ich dann oben rechts sehe, wie der Langhaarige ein paar Urnen auslädt, die wie Gitarrenkoffer aussehen, bekomme ich meine Zweifel. Ich schaue noch mal zum Tor und als ich den Untertitel sehe, dämmert es mir langsam. Eine Gitarrenmesse!

Elvis is alive

Nun bewegt sich auch das Auto vor uns und ich sehe die Plakate vor dem Eingang des Estrel Festival, auf denen in großen Lettern „Stars in Concert“ steht. Das ist doch die Show in der Musiklegenden wie Elvis Presley, Whitney Houston bis hin zu Amy Winehouse auftreten. Aber die sind doch alle tot? Ja, dann passt das ja. Tatsächlich sollen hier heute Abend die besten Doppelgänger der Welt auftreten. Glamour pur nur 100 Meter entfernt von unserem Ziel.

Es kommt Bewegung in die Sache – der LKW ist weg und wir dürfen weiterfahren. Zur Bestattermesse müssen wir einmal ganz rum um das „Festival“. Der Stars-in-Concert-Festival-Gitarren-Charme ist verflogen und ich finde mich am Eingang einer riesigen Messehalle, so groß wie zwei Fußballfelder, wieder. Helle Beleuchtung, überall fleißiges Treiben und hier mal ein Sarg oder da mal ein paar Urnen. Messestände werden aufgebaut, Vorhänge gebügelt und Stehtische mit weiß glänzenden Hussen hin- und her geschoben. Unser Messestand befindet sich auf der anderen Seite der Messehalle (wo sonst?). Gott sei Dank haben wir ein super einfach zu transportierendes und aufzubauendes Messesystem (Danke an CleverFrame) und so ist der Aufbau schnell erledigt.

Währenddessen habe ich schon mal die Möglichkeit mich ein wenig umzuschauen. Fleißige Helferlein sind dabei riesige Rollen roten Teppichs zu verlegen. Gegenüber von unserem Messestand hat ein Ehepaar ihre neueste Kollektion Holzsärge aufgebaut. Ein neues Highlight (so wie er dort zur Schau drapiert wird) scheint der weiße Sarg mit Kordeln im Regenbogen-Design zu sein. Gay-Pride? Ich glaube eher nicht. Der Regenbogen ist in der christlichen Welt ein Symbol für den Bund zwischen Gott und den Menschen. Also zwischen Himmel und Erde. Ach herrje – wie passend!

Ich träume von fliegenden Särgen

Schräg links gegenüber ist ein Messestand auf den in schnörkeliger Handschrift „Himmelsfähre“ steht. Der Rest ist mit grünen Fleecedecken verhängt, befestigt mit schwarzem Gaffatape. Was sich darunter verbirgt werde ich morgen herausfinden. Und da ich mir nicht die Überraschung verderben möchte, packe ich meinen kleinen Trolli und fahre in mein heutiges Übernachtungsquartier in Berlin Mitte. Nach einer echten Berliner Boulette mit Saurer Gurke und Kartoffelsalat, falle ich in einen träumereichen Schlaf. Fliegende Särge (kein Scherz!), ein wilde Party und die Angst zu verschlafen, lassen mich um 06:23h ohne Wecker aufwachen. Ich nehme meinen Trolli und mache mich wieder auf den Weg zur Sonnenallee, Neukölln. Um 08:07 Uhr komme ich am Estrel Hotel an, wo schon Trubel herrscht. Die Guitar Heroes von gestern sind auch schon da.

Mittlerweile ist auch schon der rote Teppich verlegt. Mit Gaffatape, versteht sich von selbst. Um 09:00 Uhr ist offizieller Start für die Besucher. Also wird noch mal hier ein bisschen gebügelt, und da gezupft bis alles sitzt. Auf unserem Stand werden noch schnell iPad, iMac, MacBook (Apple sollte unseren Messestand bezahlen) und der Windows Laptop unseres CTOs (er ist nicht so der Apple Fan) aufgebaut und mit WLAN verbunden. Da unser Produkt eine Software ist, sind das unsere Herzstücke.

Kleine Schiffe in rosa, blau und weiß

Nachdem ich mir mein Namensschildchen angesteckt habe, schau ich mich erneut um. Die Himmelsfähre hat den grünen Fleecevorhang gelüftet und was nun sichtbar wird, lässt mich zum ersten Mal schwer schlucken. Mit einem Kloß im Hals betrachte ich die kleinen Schiffe in rosa, blau und weiß, und mit der Erkenntnis füllen sich meine Augen mit Tränen. Es sind kleine Särge, liebevoll designt und gebaut für totgeborene Föten, Säuglinge und Frühchen, die es nicht geschafft haben. Als Mutter eines kleinen Sohnes geht mir das sehr nahe. Trotz der mich soeben überwältigten Emotionen, bemerke und schätze ich die gefühlvolle und ästhetische Beschäftigung mit diesem schwierigen Thema.

Es ist kurz vor neun und die Aussteller besprechen sich ein letztes Mal und postieren sich auf ihren Flächen. Um punkt 09:00 Uhr erklingt die Durchsage: „Willkommen zur 15. Bestatterfachmesse im Estrel Hotel Berlin“ und nur Sekunden später strömen die Besucher in die Halle. Unser Stand B8 befindet sich direkt zwischen Eingang und Halle, das heißt jeder Besucher muss an uns vorbei. Die ersten neugierigen Blicke treffen uns und so haben wir schnell ein paar Interessenten auf unserem Stand. Leute aller Couleur aber doch überwiegend Männer.

Men in Black

Ich fange die Blicke zweier gut gebauter Mittdreißiger in teuren und gut sitzenden (schwarzen) Anzügen auf. Ich lotse sie an einen unserer Stehtische und demonstriere ihnen, wie einfach und intuitiv Pacemo zu nutzen ist. Nach einer kleinen Einführung meinerseits fragt der größere und ältere der beiden „Sie haben da Bestattersoftware der neuen Generation stehen. Was kann Ihre Software denn, was andere nicht können?“ Ich antworte stolz: „Sie ist cloud-basiert und deshalb immer und überall nutzbar. Auch auf dem iPad.“ Ich dachte ich sei gut vorbereitet. Ich dachte, damit hätte ich ihn. Aber er reagiert nur mit einem skeptischen Gesichtsausdruck. Ich erzähle ihm, wie wir die Branche ins digitale Zeitalter begleiten und die regionale Bestattungskultur stärken wollen. Nichts. Dann wiederholt er „Noch mal ein Schritt zurück. Was kann ihre Software, was andere nicht können?“ Ich bin verunsichert. Dann frage ich zurück: „Was soll ihrer Meinung nach denn die Bestattersoftware der neuen Generation können?“ Er antwortet: „Buchhaltung“. Ich denke nur ,such dir doch ne Buchhaltungssoftware’ und sage: „Das ist in Planung. Wir brauchen aber noch etwas Entwicklungszeit. Sie müssen sich vorstellen, dass wir für die jetzige Version nur acht Monate gebraucht haben. Das ist sehr schnell.“, doch er zeigt sich wenig überzeugt und lässt mich mit den Worten stehen „Ihr hättet bis nächstes Jahr warten sollen“.

Bis auf diese eine skeptische Ausnahme, mit der ich einen nicht ganz so guten Start gemacht habe, bin ich überwältigt von der freundlichen Schüchternheit der Interessenten. Wir bekommen unheimlich viel nettes Feedback für die Software und viel Lob für das Design.

Irgendwann muss ich mir mal die Beine vertreten und starte meinen ersten Rundgang durch die komplette Ausstellung. Ich sehe viele ältere Herren, die genau meinem Klischee von Bestattern entsprechen aber auch viele junge Frauen und Männer, die so gar nicht darein passen wollen. Und das stimmt mich heiter.

Urnen, Särge und Diamanten

Ich laufe an jeder Menge Messeständen mit Urnen und Särgen vorbei, die in der Produktplatzierung Platz 1 und 2 einnehmen. Dahinter folgen aber gleich die Händler und Hersteller von Leichenwagen. Als sich gerade eine gewisse Rationalität anhand der gesehenen Produkte einstellen möchte, laufe ich an einem großen Plakat vorbei. Auf diesem ist eine riesengroße Kolonne von weißen Leichenwagen auf einer scheinbar gesperrten Autobahn zu sehen. Das kommt mir merkwürdig vor. Mein Kollege klärt mich auf, dass die Firma vor dessen Messestand ich gerade stehe, damals die 16 Wagen umgebaut und bereit gestellt hat mit denen die 16 Opfer des Germanwings Absturzes nach Deutschland überführt worden waren. Das Foto auf dem Plakat ist dort entstanden. Mich überkommt erneut ein mulmiges Gefühl.

Auf meinem Streifzug durch die Reihen der Halle komme ich noch an einem Stand für Erinnerungsdiamanten, bei dem aus der Asche eines geliebten Verstorbenen ein Diamant gepresst wird, an Flächen auf denen für Bedarf für Thanatopraktiker (Bestatter, die sich um die ästhetische und hygienische Versorgung oder Rekonstruktion des Verstorbenen kümmern) beworben wird und an einem Stand, auf dem Kühlungssysteme vorgestellt werden, vorbei. Auch hier hat man sich dem Thema Kindstod angenommen und so zur Demonstration ein Babybettchen aufgebaut, in das man ein Kühlsystem eingebaut hat. Wieder ein Schauer.

Mit gutem Gefühl heimwärts

Ich beende meinen Messerundgang und finde mich wieder in unserem Messestand ein. Ein paar Stunden und viele weitere nette Gespräche später, scheint das Groteske schon gar nicht mehr so grotesk und es setzt eine angenehme Gelassenheit ein. Ich ziehe den Hut vor all den Menschen, die sich dem Thema Bestattungen gewidmet haben. Ein Thema, um das in unseren Breitengraden immer noch viel herum gedruckst wird. Nicht so hier. Hier sagt man, was man denkt. Aber trotzdem höflich und freundlich. Das Feedback der Besucher auf uns junge „Frischlinge“ war im Großen und Ganzen sehr positiv und ehrlich. Wir können mit dem Gefühl heimfahren, auf dem richtigen Weg zu sein, haben aber auch viele Hausaufgaben im Gepäck. Und eines ist ebenfalls gewiss: das wird auf jeden Fall nicht meine erste und letzte Bestattermesse bleiben. Todsicher!