„Keine Diskussion, das haben wir immer so gemacht!“ – Herausforderung Generationswechsel. Interview mit Florian Hainbach von Grebe Bestattungen

 

Gar nicht so einfach, die Übergabe der Geschäfte an die nächste Generation. Schon gar nicht in familiengeführten Bestattungshäusern und in Zeiten des Wandels, in denen sich die Trauer- und Bestattungskultur im Eiltempo verändert. Ganz zu schweigen von der Pandemie und ihren Folgen. 

 

Mit Florian haben wir darüber diskutiert, worauf es jetzt ankommt, wo die Herausforderungen liegen und wo die Chancen. Außerdem haben wir vermutlich abschließend geklärt, dass Bestatter*innen immer auch Eventmanager*innen sind und weshalb der Satz „Keine Diskussion, das haben wir immer so gemacht!“ am Ende auch ein bisschen lustig ist. Viel Spaß beim Lesen!    

Pacemo: Danke erst einmal, dass du dir für uns Zeit genommen hast. Keine Selbstverständlichkeit angesichts der dramatischen Corona Situation. Wie sieht es bei euch aus, liegen die Nerven blank oder rückt ihr in der Krise dichter zusammen? 

Florian: Danke meinerseits. Ich freue mich auf das Gespräch und was meine Nerven betrifft, ist noch alles im grünen Bereich. Klar, die Situation ist ein wenig angespannt, aber wir funktionieren als Team ziemlich gut. Für Projekte, an denen sich die Generationsfrage entzünden könnte, fehlt uns aber auch gerade einfach die Zeit. 

Pacemo: Haben wir uns bei der Größe des Themas vielleicht ein wenig verschätzt oder zumindest den Zeitpunkt schlecht gewählt, wo doch die Pandemie das alles bestimmende Thema ist?  

Florian: Nein, ganz und gar nicht. Es gibt aktuell wohl kaum eine Branche, in der ein Generations-wechsel von so vielen einschneidenden Veränderungen begleitet wird, wie in unserer. Da bleibt gerade kein Stein auf dem anderen. Ob Corona diese Entwicklung ein wenig aufschiebt oder sie als eine Art Brandbeschleuniger sogar eher anfeuert, ist im Augenblick, glaube ich, nicht zu entscheiden. Sicher ist dagegen: Die eigentlichen Herausforderungen waren auf jeden Fall schon vorher da.

 

„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!“

Pacemo: Das klingt, als wäre ein Problem lange Zeit verschleppt worden. Brauchte es erst das Virus, damit die Branche aufwacht? 

Florian: Na ja, ganz so drastisch würde ich es nicht formulieren. Aber richtig ist, dass die Bestattungs-branche über eine sehr lange Zeit in einer Art Dornröschenschlaf lag. Von den gesellschaftlichen Veränderungen um sie herum, war sie im Prinzip kaum betroffen. Die Strukturen blieben im Wesentlichen ja immer dieselben. Das ändert sich gerade – und zwar in einem rasanten Tempo.   

Pacemo: Was genau ändert sich denn und weshalb bedeuten diese Veränderungen eine solche Herausforderung, insbesondere für die Übergabe der Geschäfte an die nächste Generation?

Florian: Das ist schwer auf den Punkt zu bringen, aber offensichtlich ist doch, dass sich die gesamte Bestattungskultur in einem Wandlungsprozess befindet. Dass es nicht damit getan ist, den Hinterbliebenen einige Sarg- oder Urnenmodelle anzubieten, das wissen wir mittlerweile natürlich alle. Der Bestatter wird immer mehr auch zum Eventmanager, Trauerbegleiter und Marketingexperten in eigener Sache. Für die jüngere Generation ist diese Umstellung sicherlich viel leichter, weil sie dafür nicht in gleichem Maße wie die Älteren mit Traditionen und Gewohnheiten brechen muss. 

Pacemo: Heißt das, du bist gegen Traditionen und für einen radikalen Wandel? Sind Traditionen nicht auch etwas Gutes, frei nach dem Motto: Tradition schafft Vertauen und Stabilität?

Florian: Traditionen sind etwas Wunderbares. Mich haben sie zum Beispiel dazu veranlasst, mich direkt nach meinem hauptberuflichen Eintritt dafür stark zu machen, dass wir ein Firmen-Motto etablieren: „Grebe Bestattungen – Tradition und Vertrauen seit 1927“. Von Anfang an fühlte sich dieser Schritt authenisch und aufrichtig an, weil wir wesentlich von Traditionen und Vertrauen leben.  

„Es geht ja nicht darum, die Alten vom Hof zu jagen.“

Pacemo: Also doch lieber einen Gang zurückschalten und die lieb gewonnen Traditionen hochhalten als Veränderungen anzustoßen? 

Florian: Leider auch nur die halbe Wahrheit (lacht), aber wir kommen der Lösung näher. Denn das Hochhalten von Traditionen und das Anstoßen von Veränderungen schließen einander ja nicht aus, im Gegenteil. Das fängt schon damit an, dass Traditionen in unserem Geschäft als Marketingfaktor eine immer noch große Rolle spielt. 

Pacemo: Hier müssen wir kurz einhaken. Das klingt ein wenig danach, als wären Traditionen so etwas wie die Verhandlungsmasse im Generationskonflikt. Überspitzt gesagt: Wenn es ums Marketing geht, ist sie willkommen, aber als Argument der Älteren im Generationengespräch zählt sie nicht?   

Florian: Nein, das wäre viel zu kurz gedacht und auch ziemlich unfair. Denn natürlich kann die junge Generation von den “alten Hasen“ Vieles lernen. Bis heute tausche ich mich intensiv mit meiner Mutter und meiner Oma aus, die das Geschäft ebenfalls viele Jahre geführt hat. Diesen Austausch habe ich immer schon als sehr wertvoll und motivierend empfunden. Es geht ja nicht darum, alles über Bord zu werfen und die “Alten“ vom Hof zu jagen. Gefährlich wird es erst, wenn das Beharren auf Traditionen wichtige und oft notwendige Neuerungen verhindert. Und genau das ist leider manchmal der Fall. Da heißt es dann: „Keine Diskussion, das haben wir immer so gemacht“. Der Streit ist vorprogrammiert und die Konfliktlinie verläuft dabei oft mitten durch die Familie. 

Pacemo: Soll das heißen, du hast den Satz „Das haben wir immer so gemacht und solange ich das Geschäft leite, bleibt das auch so!“ wirklich so oder so ähnlich von deiner Mutter gesagt bekommen?

Florian: (lacht) Ein klares: ja. Ich kam damals frisch von der Fortbildung zum geprüften Bestatter, hatte viele Ideen im Kopf, wollte neue Impulse setzen und die auch direkt realisieren. Ich kann schon verstehen, dass der Fuß auf die Bremse drückt, wenn mit einem mal anders werden soll, was sich bislang hervorragend bewährt hat. Wozu das Risiko und die Investition? Ein „Mach mal, wird schon stimmen“ hätte sich vermutlich auch komisch angefühlt.

Pacemo: Stichwort Digitalisierung. Wie lief es bei diesem Thema zwischen euch beiden?

Florian: Digitalisierung, das perfekte Beispiel. Ich komme aus einem hochdigitalisierten Dax-Konzern in ein Unternehmen, das seine Kunden bisher prima über Empfehlungen gewonnen hat, mit Excel und Word erfolgreich Rechnungen schrieb und keinen erkennbaren Bedarf an digitalen Lösungen hatte. Es ging also gar nicht darum, eine Lücke zu schließen oder ein akutes Problem zu lösen, sondern darum, Potentiale zu erkennen. Denn den Luxus, insbesondere digitale Möglichkeiten nicht zu nutzen, können wir uns heute immer weniger leisten. Nach einem erfolgreichen Testlauf und einigen konstruktiven Gesprächen war dann auch meine Mutter überzeugt, dass uns eine Bestatter-Software viel Arbeit und Zeit einspart. Zeit, die wir – gerade jetzt in angespannten Corona Zeiten – an anderer Stelle dringender und sinnvoller gebrauchen können. 

Pacemo: Du spielst auf die Trauerbegleitung bzw. das führsorgliche Kümmern um die Hinterbliebenen an – und damit auch auf deinen persönlichen Werdegang?  

Florian: Ja, denn beides hängt bei mir ganz eng zusammen. Wie schon erwähnt, war ich viele Jahre in einem großen DAX Konzern beschäftigt. Die Arbeit dort war unglaublich spannend und prägend. Ich hatte wirklich eine tolle, aufregende Zeit mit vielen Dienstreisen und Konferenzen aber auch einer hohen Verantwortung und großzügigen Entscheidungsspielräumen auf Führungsebene. Auch privat lief es gut. Während meiner Zeit in Bonn habe ich meine Frau kennen und lieben gelernt und meine beiden Kinder wurden dort geboren. …

Pacemo: …und dann kam die Krise, der Burnout?

Florian: Weder Krise noch Burnout. Was aber tatsächlich aufkam, war die Sinnfrage: Was machst du da eigentlich? Wie wichtig ist dein Job? Wem hilft er? Fragen, die einem eben durch den Kopf gehen, wenn man im Bereich Effizienzmanagement tätig ist und irgendwann merkt: Das kann es doch nicht gewesen sein. Also bin ich ausgestiegen, um wieder einzusteigen, nämlich in einen Beruf, in dem ich weiterhin mit Menschen arbeiten, ihnen vor allem aber auch helfen kann. Klar, wir sind auch Totengräber, aber Bestatter zu sein, bedeutet viel mehr als das – und zwar nicht erst, seit die gesamte Bestattungs- und Trauerkultur immer offener und vielfältiger wird. Dieser Wandel, der immer mehr Fahrt aufnimmt, hat aber auf jeden Fall dazu beigetragen, dass der Beruf für mich attraktiv geworden ist. Ansprechpartner für Hinterbliebene, Eventmanager und Wegbegleiter der Verstorbenen auf ihrer letzten Reise: Ich bin das alles und ich bin es wahnsinnig gern. 

„Marsbestattungen? Warum nicht, dazu ließe ich mich überreden.“

Pacemo: Zum Schluss noch der Blick in die Kristallkugel: Irgendwann wirst du die Geschäfte an die nächste Generation übergeben. Welchen gut gemeinten Rat gibst du deinem zukünftigen Ich mit auf den Weg?

Florian: Lustige Frage. Das dauert hoffentlich noch eine Weile. Aber ich finde die Vorstellung schon witzig, dann auch mal bierernst so etwas zu sagen wie „Keine Diskussion, das machen wir auf gar keinen Fall“, um mich dann doch davon überzeugen zu lassen, dass z.B. ein eigenes Bestattungs-Raumschiff für „Marsbestattungen“ eine gute Geschäftsinvestition sind…(lacht). Ich freue mich auf die Zeit, auf die kommendenen Herausforderungen. Denn das habe ich im Leben gelernt, dass „Change“ nicht nur Veränderung bedeutet. – „Change“ ist auch immer eine Chance!!

Pacemo: Florian, vielen Dank für das entspannte, ehrliche Gespräch.