Digina16 Konferenz zum digitalen Nachlass

Digina16 – Konferenz zum digitalen Nachlass

Wir müssen reden.

„Wir müssen reden.“ Das war der Einleitungssatz von Sabine Landes und Dennis Schmolk, Veranstalter der Digina16. Die erste Konferenz zum digitalen Nachlass fand gestern im Bestattungsforum Hamburg Ohlsdorf, Tagungs- und Veranstaltungshaus des größten Parkfriedhofs der Welt. Doch was ist “digitaler Nachlass” und wen geht er etwas an? Ist Ihre Arbeit, Ihr  oder Ihr Privates davon betroffen? Werden Ihre Kunden neue Anforderungen stellen? Und was hat das mit der Digitalisierung der Bestattungsbranche zu tun? Um diese Fragen geht es in dem neuesten Artikel unserer Digitalisierungsreihe. Die Antworten auf diese Fragen sind größtenteils aus der Konferenz entstanden.

 

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Auf digitaler Spurensuche

Seit Pacemo am 15. September 2016 offiziell online ging, haben wir uns viel in den sozialen Medien und im Web umgeschaut auf der Suche nach Inhalten, die sich mit Digitalisierung und Bestattungen beschäftigen. Auch wenn es in der Branche bisher wenig Inhalte (Content) gibt, in dem sich direkt mit der Digitalisierung der Beerdigungs- und Bestattungsbranche auseinandergesetzt wurde, gibt es dennoch seit ein gewissen Zeit ein paar Pioniere und Unternehmen, die sich der Frage angenommen haben: „Was passiert mit den Daten nach meinem Tod?“

Die Konferenz und ihre Teilnehmer

Die Veranstalter Landes und Schmolk, die den Blog digital.danach – über Leben und Sterben im Internet gründeten, haben die Konferenz ins Leben gerufen um eine für sie längst überfälligen Austausch und Diskussion zu dem Thema anzuregen. Sie wollten reden. Über den Tod, Vorsorge, Nachsorge, eine veränderte Trauerkultur und Datengeister.
Die insgesamt sechs Vortragenden deckten ein fachlich sehr breites Spektrum ab. Von der Beraterin Birgit Aurelia Janetzky über Simone Vintz von der Stiftung Warentest, die sich mit der Verantwortung der Provider in Bezug auf digitale Hinterlassenschaften beschäftigt hat, bis hin zu einer Betrachtung aus juristischer Perspektive von Dr. Antonia Kapahnke und schließlich zu Dr. Stephan Humer, der sich dem Thema digitaler Nachlass aus Sicht der Medien- bzw. Netzwerksoziologie genähert hat. In einer zwischen den Blöcken stattfindenden Podiumsdiskussion mit dem Titel „Digitaler Nachlass: Bewahren oder löschen?“ entstand zwischen Elisabeth Noltenius (Digital Heritage), Christoph Hübner (anera), Dr. Christopher Eiler (Columba) und Kai Lociks (Bestatter) eine hitzige Diskussion, die sich weniger um die Titelfrage, sondern vor allem um die Frage „Vor- oder Nachsorge?“ drehte.

Alle Diskussionspartner waren Sponsor des Events und – so der persönliche Eindruck – wahrscheinlich auch daran interessiert, ihr Angebot möglichst glaubwürdig zu vermarkten. Einzig und allein Kai Lociks und Moderator Schmolk schienen nichts verkaufen zu wollen. Vor allem der Geschäftsführer des Nachsorgeanbieters Columba, der bereits mit vielen Bestattungsinstituten eng zusammen arbeitet, betonte die wichtige Funktion des Bestatters, der auf viel persönlichere Art und Weise an den Kunden herantreten könnte.

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Digitaler Nachlass: Ein großes Thema mit viel Potenzial

Ein neues Thema für Bestattungsinstitute

Dennoch fand man unter den Teilnehmern kaum Bestatter. Kai Lociks, der als erster Vorsitzender des Verbandes unabhängiger Bestatter sogar Sponsor des Events war, blieb vorerst der einzige Vertreter seiner Branche.
Bevor Lociks Bestatter wurde, hatte er lange für ein IT-Unternehmen gearbeitet. Er setzt sich für die Digitalisierung der Branche ein und weiß um die Schwierigkeiten, die das Sensibilisieren der Beerdigungsbranche für das Thema, mit sich bringt. Denn „Viele Bestatter auf dem Land haben weder eine E-Mail-Adresse, noch eine Homepage. Für einzelne Kollegen ist ein Faxgerät schon Hexenwerk. Wenn ich gar nicht weiß, dass ein Problem überhaupt existieren kann, kann ich natürlich auch wenig dagegen tun.“ so Lociks. Genau das von ihm beschriebene Problem scheint das Bindeglied zu unserem Thema „Digitalisierung der Bestattungsbranche“ zu sein.
In seiner Funktion als Podiumsdiskussionspartner und Sponsor des Events schien er sein Anliegen deswegen umso wichtiger zu nehmen. Abr auch er betonte die wichtige Rolle des Bestatters in Bezug auf die Vor- und Nachsorge des digitalen Nachlasses.

Kein neues Thema für Andere

Zu Beginn unserer Recherche stießen wir auch auf eine der PionierInnen dieser neuen Debatte: die oben bereits erwähnte Beraterin Birgit Janetzky. Für die freie Theologin und Trauerrednerin ist das Thema jedoch längst nicht so neu, wie für die meisten. Nicht nur deshalb hatte sie sich den Platz als erste Rednerin der Konferenz redlich verdient. Während das Thema digitaler Nachlass gerade im letzten Jahr auf ein mal in den Medien sehr präsent besprochen wurde (vermutlich auch deshalb, weil das wirtschaftliche Potenzial von Firmen und Investoren erkannt worden ist), hat Janetzky in ihrem Vortrag diverse Anbieter aufgezeigt, die schon im letzten Jahrzehnt versucht haben sich mit der digitalen Nachlassverwaltung am Markt zu etablieren. Die meisten von diesen Anbietern, so zeigte Janetzky, sind so schnell verschwunden, wie sie gekommen sind. Nur wenige sind am Ball geblieben. Wie auch Christoph Hübner, der bereits 2007 mit einem ersten Vorsorge-Angebot startete, jedoch erst jetzt mit einem starken Vorsorge-Partner, der Allianz, und dem gemeinsamen Projekt anera durch gestartet ist.
Ein wichtiger Punkt ist also der richtige Zeitpunkt. Und deshalb müssen wir – so waren sich hier Alle einig – reden.

Wo geht die Reise hin?

Janetzky ist sich sicher, dass in 10 bis 20 Jahren das Thema digitaler Nachlass für Alle ein Thema sein wird. Denn die jetzt 45- bis 65-Jährigen werden Enkel haben, die der Generation der „Digital Natives“ angehören und selbst mit Computern Erfahrung gemacht haben.
Auch Janetzky arbeitet eng mit Bestattern zusammen und setzt sich für eine offene Trauerkultur ein, die sich nicht auf die analoge Welt beschränkt. So fasst sie die Branche auch nicht mit Samthandschuhen an: „Bestattungsunternehmen tun gut daran, die Auswirkungen der Digitalisierung nicht zu verschlafen. Die Regelung des digitalen Nachlasses ergänzt gut die Abmeldungen bei Rente und Krankenkasse. Sterbefall und Sterbedaten sind verlässlich, das ist ein Vorteil für die Abwicklung. Das Thema kann ein Bestattungsunternehmen gut zur Kundenbindung einsetzen.“
Auch laut Hübner müssten sich Bestatter in der Zukunft in zwei Bereichen stärker strategisch aufstellen: erstens in der Trauerbegleitung und zweitens in der Vorsorge.

Im Gegensatz zu der Mehrheit der Teilnehmer, sieht der Bestatter Lociks die Zeit noch nicht gekommen, auch wenn er die Wichtigkeit des Themas erkannt hat. Das durchschnittliche Alter seiner Sterbefälle liegt momentan bei 75+. Eine Generation, die nichts mit Kondolenzseiten, eigener Trauerhomepage, QR-Code auf Grabsteinen und „weiterem digitalen Firlefanz“ (so Lociks) anfangen kann. Seine Argumente klingen nach einem gesunden Mittelweg zwischen Offenheit fürs Digitale und Rückbesinnung auf das Analoge nach dem Motto „vergesst auch nicht, mich zu vergessen!“.

Unser Fazit: ein versöhnlicher Kurs. Der individuelle Umgang mit dem Nachlass sollte nach wie vor im Mittelpunkt der Begleitung durch den Bestatter stehen. Egal ob analog oder digital oder in Zukunft beides zusammen. Und selbst bis dahin ist es noch ein langer Weg. Die Digitalisierung verschlafen sollte die Bestattungsbranche aber nicht. Denn wie heißt es so schön: nur der frühe Vogel fängt den Wurm;-)

 

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